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2025 – Ex Libris – 15. November








Sherlock Holmes & die Baker-Street-Bande

Junge Detektivinnen und Detektive raten mit

Von Axel Engels

GREVEN. Die Kulturschmiede in Greven verwandelte sich am Samstagnachmittag in ein pulsierendes Nebel-London des Jahres 1883 – voller Geheimnisse, Gänsehaut, Gelächter und einer Prise viktorianischem Chaos, das Sherlock Holmes selbst stolz gemacht hätte.

Einmal mehr stand Christoph Tiemann auf Einladung der Kulturinitiative auf der Bühne und schaffte es, mit seiner Stimme und einem Arsenal an aberwitziger Wandlungsfähigkeit eine ganze Stadt zum Leben zu erwecken.

Doch diesmal war er nicht allein: Jakob Reinhardt begleitete jedes Abenteuer mit Musik und Geräuschen, die so atmosphärisch waren, dass man das Gefühl bekam, mitten in der Baker Street zu sitzen. Schon die erste Geschichte, „Das Geheimnis der Tortenlücke“, sorgte für Spannung. Tiemann schilderte die dramatische Situation mit solcher Dringlichkeit, dass sofort klar wurde: Hier ist etwas Entscheidendes geschehen. Eine Torte, die eigentlich vollständig hätte sein sollen, war es nicht mehr – ein Fall, der die moralischen Grundfesten der viktorianischen Süßwarenordnung erschütterte.

Die Kinder im Publikum schossen sofort mit Theorien los und verwandelten sich in kleine Kommissare, die die Tortenumstände mit großem Eifer untersuchten.

Danach folgte „Silberblume“, die herzzerreißende und zugleich urkomische Geschichte um das teuerste Zuchtkaninchen Englands. Silberblume, das flauschige Juwel der High Society, war verschwunden. Tiemann ließ das Empörungsgeschrei der viktorianischen Aristokratie so treffend aufleben, dass sich das Publikum bestens amüsierte.

Und wieder durften die jungen Detektivinnen und Detektive mitraten – diesmal mit einer Leidenschaft, als hinge das Schicksal des gesamten Kaninchenwesens der britischen Insel von ihren Schlussfolgerungen ab.

Ebenso fesselnd war „Das Huhn der Baskerville“. Anders als die suggestive Überschrift vermuten ließ, handelte es sich nicht um ein lebendiges Federvieh, sondern um ein gestohlenes Porzellanhuhn.

Tiemann baute die Szene mit der nötigen Portion Spannung auf, während die Baker-Street-Bande – und mit ihr das Publikum – Schritt für Schritt die Wahrheit enthüllte. Der Diener des Besitzers hatte sich nachts Zugang zur Werkstatt verschafft und das Huhn entwendet.

Zum Abschluss folgten „Die Klunker von Highgate“, ein Fall voller Glanz, Gier und glänzend gespieltem Chaos. Hier vereinten sich Tiemanns Schauspielkunst und Reinhardts klangliche Raffinesse zu einem Finale, das einem echten Holmes-Abenteuer in nichts nachstand.

Diamanten blitzten imaginär, während die Besucher wie kleine Scotland-Yard-Agenten Theorien diskutierten, Verdächtige entlarvten und schließlich alle Hinweise zusammenfügten, bis die funkelnde Wahrheit ans Licht kam.

Es war, als zöge die Baker-Street-Bande jeden im Raum in ihren Bann – egal ob jung oder alt. Man hatte das Gefühl, dass Greven für einen Nachmittag tatsächlich Teil Londons geworden war.

Dank Christoph Tiemanns unerschöpflicher Spielfreude und Jakob Reinhardts meisterhaftem Klanghandwerk wurde die Veranstaltung zu einem lebendigen, humorvollen Theater-Hörspiel.

Sherlock Holmes und der Fall Silver Blaze

Am Abend durften dann die Erwachsenen rätseln, wohin ein erfolgreiches Rennpferd entschwunden war und wer für den Tod des Ex-Jockeys und Pferdetrainers verantwortlich war. Rund 150 Zuschauer lauschten den nunmehr fünf Schauspielern auf der Bühne. Markus von Hagen führte als Erzähler durch das Geschehen, Christoph Tiemann übernahm wieder die Rolle des spleenigen Detektivs. Spielend gelang es den versierten Sprechern, das Publikum ins ausgehende 19. Jahrhundert und düstere Dartmore zu entführen. Das lebendige Spiel endete mit der überraschenden Aufklärung und dem stehenden Applaus des begeistertem Auditoriums. Ein Sonderapplaus galt dem Ton- und Lichttechniker Moritz Raestrup.



Quelle: 2025 – Ex Libris – 15. November