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2009 – Norby-Danielsson in der Kulturschmiede






2009 – Norby-Danielsson in der Kulturschmiede


 

Sind es nur die runden Holzkurven des Kontrasbasses, die der entrückte Schwede mit langen schmalen Fingern nachzeichnet? Ist es bloß der Steg, den Lars Danielsson mit einem lässig ausgeholten Handschlag als rhythmisches Beiwerk zum Klingen bringt? Und sind es wirklich nur die vier Saiten des gemaserten musikalischen Klangriesens, die der schmale, sehnige Schwede mal schlägt, oft zupft und immer wieder streichelt? Zwei Stunden erlebt ein fasziniertes Auditorium die inbrünstige Liebe eines Musikers zu seinem Instrument. Zwei Stunden erleben gut 150 Musikfreunde, dass es um musikalische Erlebniswelten zu erschließen, kaum mehr bedarf als eben dieser Liebe zum Instrument und das blinde Verständnis zweier Jazzer, die Bett und Bühne in Liebe teilen. Doch bei aller Liebe zum ton- wie formenvollen Bass rangiert Partnerin Cecilia Norby wohl außer Konkurrenz.
Willkommen nordischer Jazz in der Schmiede: Als der kleine Bassist und die große Sängerin mit Joni Mitchells „Both sides now“ erstmals die Altstimme modulieren und die ersten Takte anschlagen, verstummen die Thekengespräche. Kein Sound für den Background. Da will jeder Ton erlebt, der abwechslungsreiche Dialog von Stimme und Bass erfasst werden.
Wehe, wem dies nicht gelingt. „Zu akademisch“, wie „ein modernes Theaterstück“, lauten die Kommentare jener Zuhörer, die Norby und Danielsson nicht mit auf die Reise nehmen können.
Sie verpassen so viel. Mit „Human Nature“ etwa die packende Hommage an Michael Jackson. Der Rhythmus, der Stakkato-Tanz, die fistelnde Stimme der toten Ikone – all das präsentiert das Jazzpaar. Allerdings: Statt orchestral und mächtig, reduziert auf Stimmbänder und Saiten, begleitet mit expressiver Mimik. Perfekte Jazztransformation.
Nordischer Jazz ist gefühlvoll und nicht kühl, eine Erfahrung, die die Gäste des Konzerts im Rahmen des Münsterlandfestivals „pART 5“ schon nach wenigen Takten erfahren. Die Afrikanischen „Fairytales“ al la Wayne Shorter in schwedisch-dänischem Gewande würden selbst Eisberge schmelzen lassen.
Vor acht Jahren, fünf Monaten und einem Tag: Da hob ein kleines Mädchen die Gefühlswelt des sympathischen Jazz-Duos aus den Angeln: Cecilia Norby gewährt Grevens Jazzfreunden in „First Conservation“ stimmlich vermittelte Eindrücke an Töchterchens Geburt, die Papa Lars nachdrücklich mit dem Bogen unterstreicht.
Nach poetischem Jazz wandeln die beide plötzlich auf Johnny Cash´s Spuren. Die Schmiede wird zum Knast von St. Quentin: „25 Minutes to go.“ Da wechselt die feine Altstimme urplötzlich zum rauen Countrysound, der sphärische Bass zur verfremdeten Klampfe. Der Freund, dem all dies zu akademisch war, ist längst nicht mehr hier. Und verpasst so auch die rappige „Love for sale“, eine käufliche Liebe, bei der beide Musiker temporeich einander in immer wildere Musikhöhen treiben. Da lösen die Soli von Stimme und einem inzwischen gezupften wie gestrichenen Cello wahre Da Capo-Rufe aus. „Of course, you got a Zugabe“, ruft die Sängerin kurz vor Schluss ins Publikum und stimmt Leonhard Cohens Halleluja an, das, mal soulig, mal rockig eine ganz neue Interpretation erfährt.
Was für ein Weib, was für eine Stimme. Und, alter Schwede, was für ein Bass. Dass der auch den Blues kann, beweisen Norby-Danielsson mit ihrem allerletzten Streich. Die Route 66 bringt der Schmiede den Blues. Sie hätte dem Freund auch gefallen.

 

Norby-Danielsson in der Kulturschmiede (GZ)„Autumn leaves“ von Joseph Kosma – einmal ganz anders, aber genial gut. Ohne den Staub von über 60 Jahren erklang dieser Jazz-Standard am Freitagabend in der Kulturschmiede der GBS.
Mit Caecile Norby war eine der wohl größten Jazz-Sängerinnen Skandinaviens nach Greven gekommen, begleitet von ihrem musikalischen Partner und Ehemann Lars Danielsson. Solch Ausnahmekünstler nach Greven zu holen, gelang durch die Kooperation der Kulturinitiative und dem Münsterlandfestival pART 5, das in diesem Jahr Musik aus Dänemark, Norwegen und Schweden an ausgesuchten Spielstätten im Münsterland präsentiert.
Für die Besucher in der ausverkauften Kulturschmiede war dieser Abend quasi eine Offenbarung. Sie erlebten in den sehr poetisch-lyrischen Eigenkompositionen und den innovativen Interpretationen zeitloser Jazz-Standards eine wohl nie wahrgenommene Tiefe und Ausdruckskraft.
Gleich zu Beginn zeigte Caecile Norby mit einem Song von Joni Mitchell ihren besonderen Zugang zu musikalischen Welten. Ihre warme Stimme verschmolz mit dem Klang des Kontrabasses, den Lars Danielsson wie wohl kein zweiter Instrumentalist zum Klingen brachte.
Mit ihren 45 Jahren hat die Tochter einer Opernsängerin und eines Komponisten längst eine außergewöhnliche künstlerische Reife erlangt, führt das Erbe von Ella Fitzgerald und Nancy Wilson mit warmer und wandlungsreicher Stimme fort.
An diesem Abend hätte man eine Stecknadel fallen gehört, so intensiv lauschte das Publikum den einzigartigen Interpretationen. Elektronische Multi-Voice-Effekte wurden integriert in einen Dialog mit normaler Gesangsstimme und Instrumentalklang, facettenreich erlebte man ganz neue Klangebenen.
„Just one of those things“ und „Fly me to the moon“ waren delikat arrangiert und vom Tempo her irritierend anders als „normal“, sie klangen wie leuchtende kostbare Diamanten. Charmant sang die Lady des Jazz für ein hingerissenes Publikum, das die Qualität dieses Konzertes zu würdigen wusste. Selbst ihre Eigenkompositionen klangen wie wahre Klassiker.
Und mit einem Gänsehaut erzeugenden „Halleluja“ von Leonard Cohen ging sie weit über das Niveau der über 120 Coverversionen hinaus, lieferte eine jazzige Improvisation mit exzellenter Gesangskultur. Da legte sie einfach so viel Gefühl in ihre Altstimme, dass sie die Herzen der Zuhörer mitschwingen ließ.
Mit Lars Danielsson erlebte man fast unwirklich schöne Welten harmonischer Schwingungen. Dieser klassisch ausgebildete Cellist verwob mal einfach so eine kurze Passage einer Bach-Cello-Suite in einen Jazzstandard, zeigte seine große kreative Vielschichtigkeit. Er war gleichwertiger Partner im musikalischen Dialog, vereinte Fülle und Zartheit in seinem vollendet weichen Ton.
Für das Publikum in der Kulturschmiede war dieser Ausflug nach Skandinavien ein Erlebnis, das noch lange nachwirken wird.