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2010 – Popart- Ausstellung im Ballenlager






2010 – Popart- Ausstellung im Ballenlager


Popart-Ausstellung im Ballenlager (WN)Andy Warhol konnte es einfach nicht mehr ertragen. Die älteren Kollegen bemalten in wilden Aktionen Tapetenrollen direkt mit der Farbtube, das Publikum applaudierte hinrissen – und blätterte glänzenden Honorare hin. „Wenn einer einen tropfenden Farblappen aufhängt, gilt das mittlerweile als Kunst“, soll der Künstler übellaunig geschimpft haben. Um dann zu beschließen, eines der letzten Tabus zu verletzen, um seinerseits ein bisschen Aufmerksamkeit zu bekommen. Er begann, die Grenze zwischen Werbung und Kunst systematisch einzureißen, Comic wurde Kunst und umgekehrt. Das brachte ihm, wie erhofft, zuerst Skandale – und später Dollars satt.

Amüsant, informativ, große Bögen über 100 Jahre Kunstgeschichte vom Dada bis zur Gegenwart schlagend führte am Samstag Dr. Martin Dziersk, Künstler und Kunsthistoriker aus Greven, in die große Pop-Art-Ausstellung im Ballenlager ein. „Sie wissen sicher, dass in der Tübinger Kunsthalle derzeit auch Pop-Art zu sehen ist“, spielte Dziersk auf die Mel-Ramos-Ausstellung dort an. „Aber die haben die zweite Garnitur. Hier hängt die erste.“ In der Tat sind im Ballenlager Werke zu sehen, die manche der älteren Besucher vor 30 oder 40 Jahren in ihren Jugendzimmer hängen hatten, so populär waren sie schon damals – etwa nackte Pin-up-Girls von Mel Ramos, Pixelbilder mit Blondinen von Roy Lichtenstein und natürlich die berühmten vielfarbigen Portraits von Warhol. „Die Veranstalter haben erneut bewiesen, wie man kooperieren, Kräfte bündeln und so einen großartigen Erfolg haben kann“, bedankte sich Bürgermeister Peter Vennemeyer bei Galerist Hans-Georg Hunold, der Kulturinitiative, dem Kunstverein und den vielen Sponsoren.

Dziersks Vortrag brachte den Besuchern auch die menschliche Seite der Pop-Art-Künstler nahe. Ein Beispiel: Als der gute Warhol eines Tages feststellte, dass auch Lichtenstein mit der Comicfigur Popeye spielte und noch dazu erfolgreicher als er, da hatte er die Nase voll. „Ab da hieß es bei Warhol: Popeye raus, Suppendose rein“, fand Dziersk eine Erklärung dafür, warum sich der Meister nun der Warenwelt zuwandte.

Nach dem Vortrag spazierten die wohl 200 Besucher durchs Ballenlager, nippten an einem Sektchen und machten sich gegenseitig auf viele Details aufmerksam – etwa auf die Hand eines Engels, die Warhol bei da Vinci geklaut hat. Auch die Kollegen und sich selbst zitieren die Künstler – Pop-Art ist ein Gespräch der Bilder über Jahrhunderte und Kontinente hinweg. „Von wegen nur Comic Strips – diese Künstler gehen über alle Dörfer, denen ist nichts heilig“, kommentierte Dziersch augenzwinkernd diese Neigung der Pop-Art, „Zutaten“ zu mopsen und Altes neu zu interpretieren. Warhol etwa sibitzte das Beerhoven-Porträt von Josef Stieler, colorierte es anders, legte eine Art Collage aus Noten darüber – fertig ist das Poster, das so mancher Musikschüler über seinem Klavier hängen hatte. „Vieles hätte man als Laie ohne den Vortrag nie gesehen“, bemerkte ein Ausstellungsbesucher, während er an Exponaten von Allen Jones, Robert Indiana, Robert Rauschenberg, Alex Katz, James Rosenquist und Jim Dine vorbeispazierte und dabei schon mal die dezenten Kärtchen musterte, ob eine Kleinigkeit passend für den eigenen Geldbeutel dabei ist. Nun, eine „Hommage to Andy“ des Fotografen Nat Finkelstein ist für 6000 Euro zu haben. Wer Warhols Beethoven-Konterfei will, muss 100 000 Kröten löhnen. Und die besten Bilder sind unverkäuflich und nur selten öffentlich zu sehen. Darum hat jener Ausstellungsbesucher recht, der zu seiner Partnerin bemerkte: „Einmal gucken reicht nicht. Wir müssen wiederkommen.“

 

Popart für WN-Leser

„Toll, beeindruckend, einfach nur schön“. Die rund 100 WN-Leser, die am Montagabend bei einer Verlosungsaktion eine Eintrittskarte für die Pop-Art-Ausstellung im Ballerlager gewonnen hatten, überboten sich mit Superlativen. Grund dafür waren aber nicht nur die Bilder, sondern auch der Grevener Galerist Hans-Georg Hunold selbst, der der WN-Leser auf eine Reise durch die bunte und phantasievolle Welt der Pop Art mitnahm. „Es ist zwar auch sehenswert, sich die Bilder anzuschauen,“ äußerte sich eine WN-Leserin, „doch wenn dazu noch die kompetenten und zugleich verständlichen Kommentare eines Fachmanns kommen, der die Bilder in das künstlerische Umfeld ihrer Zeit einordnet, dann ist das schon perfekt.“

Jan Lüdeke von WN-Marketing begrüßte eingangs die WN-Leser und Gewinner der Aktion und gab das Wort gleich weiter an Hans-Georg Hunold, bei dem er sich für die „Extra-Führung“ bedankte. Der gab den Dank prompt zurück an den Medienpartner WN, der durch seine kostenlose Werbung erst eine breite Öffentlichkeit auf die Ausstellung aufmerksam gemacht habe. Hunold: „Es war nicht einfach, diese Ausstellung auf die Beine zu stellen. Es hat viel Arbeit und viel Geld gekostet. Eineinhalb Jahre Vorlaufzeit waren notwenig, ich selbst habe so um die 250 Stunden in die Ausstellung investiert. Die Provinzial als einer unser Sponsoren hat wohl am meisten gelitten, denn die wusste drei Tage vor Eröffnung der Ausstellung noch nicht, was sie versichern sollte.“

Und mit Blick auf seine Gäste fügte er hinzu: „An einigen Bildern hängen auch Preisschilder, sie sind also zu kaufen und so teuer sind sie nun auch wieder nicht.“ Ein Raunen ging daraufhin durch die Reihen des Publikums. „Das kann man so oder so sehen,“ lachte ein Besucher: „Wer zwei oder drei Millionen auf der Bank hat, für den ist ein Ferrari ein Klacks. Für mich wäre das rote Auto aber nur ein Traum.“

Für die Pop-Art-Ausstellung hatte Galerist Hunold gut gewählt, wie ihm seine Gäste bescheinigten: Eine gute Auswahl und ein breiter Querschnitt. Mit vertiefenden Einblicken in die Pop Art hielt sich Hunold an diesem Abend zurück, wofür ihm seine Gäste von Jung bis Alt durchaus dankbar waren. Die Freunde der Kunst schätzten die launige, kompetente und zugleich verständliche Art, mit der der Galerist ihnen eine Station auf dem Weg durch die Kunstgeschichte näher brachte.

Hunold: „Es war Anfang der 60er Jahre, als gesellschaftliche Änderungen und wirtschaftlicher Aufschwung eine neue Generation von Künstlern hervorbrachten, die das Gekleckse und geschmiere ihrer Vorgänger nicht mehr sehen wollten.“

 

Popart und KücheNein, die Tomatensuppe, gab´s am Samstagabend nicht im Ballenlager. Weder Warhols Campbell-Dosen noch Totos tomatige Minestrone. Trotzdem hatten Kunst und italienische Küche im musealen Flair der alten Textilgemäuer gar trefflich angerichtet. Toto Virga und seine Portale-Mannschaft zauberten im Ballenlager-Backstage ein vorzügliches viergängiges Kulinarium, während Galerist Hans-Georg Hunold zum vorletzten Mal eine Hundertschaft an Küche und Kunst interessierter Gäste durch die Geschichte der amerikanischen Pop-Art führte.

Ein voller Bauch studiert nicht gern. Auch das hatte die Küche beherzigt. Weder die Antipasti misto noch die mit Edelfischen gefüllten Cannelloni beschwerten die Gästemägen all zu sehr, so dass man zwischen den Gängen gerne den kurzweiligen Ausführungen des Galeristen folgte.

Doch nicht nur die schmackhafte Küche, die als fleischige Ergänzung eine in Kräuteröl marinierte Hähnchenkeule neben einer Aubergine-Zucchini-Kartoffel-Frittata servierte, begeisterte die Gäste. Deko-Spezialistin Anne Wesselmann – weder verwandt noch verschwägert mit dem Popartkünstler Tom Wesselmann, dessen Originale ebenfalls die Wände zierten – hatte für ein kunstvolles Ambiente gesorgt. Rote Kussmünder und schwere Kandelaber ließen die Tische zu einem Teil der Ausstellung werden. Ein Popart-Menü, das mit einem Tiramisu die Gäste richtig hochzog und Appetit auf Kommendes weckte.

 

Popart-Ausstellung: ResümeeHans-Georg Hunold ist inzwischen fit im Bilder-Abhängen. Am Freitag machte Kunst den Doko-Spielern Platz. „Eine Stunde 25 Minuten hat unser Team gebraucht, um sämtliche Bilder abzuhängen.“ Am Samstag investierte die Galeristen-Truppe wieder dreieinhalb Stunden, damit die Bilder zum Finale der Popart-Ausstellung noch einmal an der richtigen Stelle hingen. Gestern dann hieß es endgültig Abschied nehmen von Warhol, Wesselmann, Ramos und Lichtenstein, die drei Wochen das Ballenlager zum Mekka der Popart-Kunst werden ließen. Um 11 Uhr verließen die kostspieligen Exponate gut verpackt und versichert per Lastzug-Express das GBS-Zentrum.

Rund 3000 Besucher, überwiegend aus dem ganzen Münsterland, nutzten das Kunstangebot in der vermeintlichen Provinz. „Noch einmal 20 Prozent mehr als bei Christo.“ Die 50-plus-Generation, jene eben, die mit den Popartkünstlern groß wurden, zählten zum Besuchergros. Den Altersdurchschnitt senkten die rund 20 Schulklassen, deutlich, die Hans-Georg Hunold zumeist höchstselbst durch die Popart-Sammlung führte.

„Und das in Greven?“ war die oftmals staunend formulierte Frage an Hunold und seine engagierte Truppe, die sich aus Kulturinitiative, Kunstverein und Freundeskreis rekrutierte. „Da hat die Zusammenarbeit einfach Spaß gemacht.“ Großes Lob zollt Hunold aber auch den Sponsoren Sparkasse, Stadtwerke, Weber & Drees, Fiege und dem Medienpartner WN. „Die haben das wirklich erst möglich gemacht.“

Auch das Ballenlager hat sich neuerlich als temporäres Museum bewährt. Vor allem das Ambiente begeisterte die vielen Besucher. Hunold zieht gleichwohl Grenzen. „Vor allem die klimatischen Bedingungen sind hier sehr schwierig.“ Da müsse man künftig auch über eine mobile Klimaanlage nachdenken. Veranstalter Hunold freut sich, dass im Ballenlager auch das ein oder andere Popart-Geschäft getätigt wurde. Auch wenn Warhols 100 000 Euro teures Beethoven-Quartett wieder zurück in die Düsseldorfer Galerie geht, kamen die Profi-Leihgeber auf ihre Kosten.

Nach dem Erfolg der Popart-Ausstellung in Greven steht für Hunold bereits jetzt fest. „Es war nicht die letzte Kunstausstellung.“