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2010 – Robert Kreis in der Kulturschmiede






2010 – Robert Kreis in der Kulturschmiede


Robert Kreis in der Kulturschmiede (WN)

Früher war alles besser? Mitnichten. Robert Kreis weiß es noch ganz genau. Nach einem seiner ersten Auftritte in den 80er Jahren stieg er in einer Pension ab. Sein Zimmer für die Nacht war offenbar scheußlich. Die Einrichtung stammte wohl noch aus den 50er Jahren. Anders hätte sich Kreis dies nicht erklären können. Der Linoleum-Fußboden in einem „Kackabraun“, der mausgraue Teppich übersät mit Spiralmustern, und das zartgrüne Doppelbett glich einer „Folterkammer“. Auf der Fensterbank standen etliche Gummipflanzen. „Schwiegermutterzungen“, ächzt Kreis. „Was sind die Dinger hässlich. Und nicht tot zu kriegen.“ Vom Tisch in Kochtopfblau und den schlüpferrosa Stühlen ganz zu schweigen. „Kennen Sie die noch?“ fragt er in die Runde. Stille. „Ach, Sie sind immer noch so eingerichtet?“
Die Situationskomik, die Robert Kreis schafft, beherrscht er zweifelsohne. 140 Besucher wurden am Samstagabend in der Kulturschmiede Zeugen jener Situationen. Als bekennender Liebhaber der Schellackplatten, Notenblätter und Literaturstücken aus der Weimarer Zeit brachte Kreis die besten Erbstücke aus einer Glanzzeit der deutschen Kulturgeschichte mit. Besonders haben es ihm Chansons großer, deutscher Künstler angetan. War es Rudolf Nelsons „Das Nachtgespenst“ aus 1927 oder der „Pioneer der deutschen Unterhaltung“, so Kreis, Otto Reuter: er beschäftigt sich gerne mit einem Rand-Genre in der Kabarettwelt. Gespickt mit seinen Tourerlebnissen aus 35 Jahren ergibt dies sein aktuelles Programm „Highlight“.
Beim Gedicht „Der Blusenkauf“ zeigte Kreis einmal mehr sein Fingerspitzengefühl für den richtigen Moment. Über der Qual der Wahl, in welcher Farbe die Gattin nun ihre Bluse kaufen soll, verzweifelt ihr Ehemann. Erst als dieser von ihr geht, weiß die Dame, welche Farbe sie will. „In den Laden starrt se…“, machte Kreis eine Pause. Und das Publikum lieferte prompt die Antwort: „Eine Schwarze.“
Seine Liebe zur Literatur der wilden Zwanziger zeigte Kreis immer wieder. Er zog die Originalausgaben hervor und trug einen Witz nach dem nächsten vor. Aus dem „frivol angehauchten“ Blatt „Lustige Blätter“ zitierte er Witze en masse. Denn mit den Spaßvögeln aus der heutigen Zeit kann Kreis nicht viel anfangen. „Heute müssen wir uns mit Cindy aus Marzahn begnügen“, kann er sich mit der Fernsehkultur der Zehnerjahre nicht anfreunden.
Zu einem Gastspiel war Kreis in Hamburg vor knapp zehn Jahren. Als er im Vorfeld ein Hotelzimmer reservieren wollte, scheiterte er an den Warteschleifen in der Leitung, die es zu Zeiten schlecht eingerichteter Hotelzimmer nie gegeben hätte. Von der Rezeption übers Housekeeping bis hin zum Zimmerservice und dem Portier wurde Kreis durch alle Abteilungen geschickt – bis er wieder beim Empfang landete. Auf eine Reservierung verzichtete er schließlich. Wo er wohl am Wochenende in Greven übernachtet hat?