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2011 – Storno im Ballenlager






2011 – Storno im Ballenlager


 Storno im Ballenlager (WN)Der satirische Jahresrückblick der Kabaretttruppe Storno war wie ein Sack. Jochen Rüther, Harald Funke und Thomas Philipzen steckten bei ihrem viel beklatschten Auftritt am Samstag im ausverkauften Ballenlager alle großen Themen des Jahres 2010 hinein und hauten drauf – trafen immer, und regelmäßig die Lachmuskulatur des Publikums. Mit zwei Ausnahmen.

Man kann schlecht sagen, dass die knapp drei Stunden Höhepunkte gehabt hätten. Die Kabarettisten bewegten sich bei ihrer Revue herausragender Ereignisse der zurück liegen zwölf Monate recht konstant auf hohem Niveau, verwoben die Stränge der Themen kunstvoll miteinander, machten Tempo in bissigen Dreier-Gesprächen, traten auf die Bremse mit sakralen Gesangseinlagen, wirbelten dann wieder mit der Geschwindigkeit von Breitband-Anschlüssen den Hype ums iPhone durcheinander – und sezierten manchen Vorgang und manche Prominenz, die schon in Vergessenheit zu geraten drohten, kunstvoll zur satirischen Hin-, pardon: Anrichtung.

Was Rücktritte von Politikern anrichten können, bespiegelten die Drei zum Auftakt und entwickelten daraus den Roten Faden ihres Auftritts. „Die Rücktrittswelle ist ein Anschlag auf den Berufsstand des Kabarettisten“, ereiferte sich Rüther und fing sich von Funke einen Scherz auf seine Kosten. Ersterer ließ sich nicht lang bitten und kündigte seinerseits den Rücktritt an, und zwar zunächst im Wortsinn in den Hintern des Kollegen. Funke und Philipzen sahen es fortan als ihre Aufgabe an, die trotz der Eliten-Flucht verbliebene große Themenvielfalt darzustellen und Rüther den Rücktritt auszureden.

Die Pointen bewegten sich größtenteils im Mainstream und garantierten programmierte Lacher, ohne ins Flache abzudriften. „Die Tragik ist nicht, dass so viele Ministerpräsidenten abgesprungen sind, sondern dass Westerwelle es nicht ist – irgendwo muss doch noch ein Fallschirm herum liegen, vielleicht bei Kubicki“, scherzten sie böse. Oder ein Wortspiel zur Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze und die Würde von Hilfeempfängern: „Würde ist nicht nur unantastbar, sondern auch Konjunktiv“. Ein Beispiel für die Umdeutungshoheit des Kabaretts war die Definition des Begriffs Volksvertreter: wie ein Staubsaugervertreter, der setzt sich auch nicht für die Interessen der Staubsauger ein, sondern will sie verkaufen. Fußball-WM, Gesundheitsreform, Bundeswehrreform („Guttenberg und seine Frau haben den Krieg wieder sexy gemacht“), Sarrazins Buch („eine sarrazinische Linsensuppe, rechtsdrehend gerührt“), die Euro-Krise (Rauchen für den Rettungsschirm) und etliches mehr: Es fehlte kaum etwas.

Zwei herausragende Momente gab es dann doch. Für die Szene zur Ölkatastrophe im Golf von Mexico bekamen Funke, Rüther und Philipzen Applaus – aber kaum einer lachte. Und beim Sakral-Sarkasmus zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche herrschte zunächst vollständige Stille. Dafür versöhnte das finale Beatles-Medley mit Angela Merkel als Pilzkopf und Bosheiten über Westerwelle zur Melodie von „Let it be“.

 

Storno im Ballenlager (GZ)Mit “Storno” – einem absoluten Muss für Liebhaber des politischen Kabaretts – meldeten sich Harald Funke, Jochen Rüther und Thomas Philipzen am Samstag im Ballenlager zu Wort: ein Jahresrückblick der besonderen Art, der sich inzwischen einen gewissen Kultstatus erarbeitet hat. Zu Recht wie sich am Abend im ausverkauften Ballenlager zeigte.

Jeder bekam sein Fett weg, und das nicht zu knapp. “Beckham ist nicht fremd gegangen, es war seine eigene Frau. Er hat sie nach den vielen Operationen nur nicht erkannt”, gab’s einen Seitenhieb auf den Schönheitswahn der Promis. Und in Deutschland? 2010 – das Jahr der Jubiläen und Rücktritte.

“Ich dachte die wollen uns verköhlern. Na ja, immerhin 80 Prozent der Deutschen fanden ihn gut. Allerdings kannten ihn auch nur 30 Prozent”, meinte Harald Funke. Für Kanzlerin “Angie” Merkel sei es ein Jahr der Stille gewesen. Erst bei der WM in Südafrika sei sie aus ihrer Lethargie aufgewacht und schnurstracks in die Umkleidekabine gegangen um sich den Astralkörper Mesut Özils anzuschauen. Worauf Silvio Berlusconi beschloss, sich für Frauenfußball zu begeistern. Da lockte auch eher die Kabine.

Auf dem Spielfeld gab es dann die “Rache für Wembley”. Der Ball war drin, genau wie der in Wembley nicht, hieß es. Aber wieder hat’s keiner gesehen. Egal, der Fußball habe einiges geschafft in Deutschland – Integration wie aus dem Lehrbuch. Özil, Podolski, Khedira, Boateng und Trochowski haben es ja auch geschafft, Schweinsteiger zu integrieren. Na bitte!